- oder: die Dreihundert beim dritten Anlauf –
Manchmal klappen Projekte nicht beim ersten Versuch. Manchmal auch beim Zweiten nicht. So frustrierend das sein mag, das heißt nicht, dass man dann das Handtuch schmeißen muss.
Eigentlich wollte ich bereits im Frühjahr einen 300er (ja, Kilometer) mit dem Rad absolvieren. Es sollte der krönende Abschluss der Trainingslager-Saison werden. Aus gleich mehreren Gründen wurde daraus nichts. Das war zunächst nicht schlimm, denn insgeheim hatte ich mir im Vorfeld eine Alternative bereitgelegt – für den Fall der Fälle. Doch auch die sollte nicht klappen. Da kommt dann, zugegebenermaßen, Frust auf. Bis man sich selbst daran erinnert, dass man sich von einem Luxusproblem runterziehen lässt.
Und dann, ganz unerwartet, ergab sich die Chance einen Termin in Zürich wahrzunehmen. Das Timing stimmte, meine Form war ok und ich beschloss die Gelegenheit zu nutzen, um mich mit dem Rad auf den Weg nach Zürich zu machen.
Knapp 340 Kilometer.
Ich packte meinen Rucksack mit Wechselkleidung, rüstete mein Rad mit Beleuchtung, Navi und Akku. Eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrt ging es los – ich hatte es vor Nervosität nicht mehr zu Hause ausgehalten.
Nervosität? Ich wunderte mich über mich selbst. Gut, 333 Kilometer sind eine Distanz, die man sich nicht recht vorstellen kann. Aber sollte ich die Lust verlieren, sollte ein Defekt auftreten oder sonst etwas unvorhergesehenes, konnte ich jederzeit einen Bahnhof anfahren und den Rest der Strecke per Zug zurücklegen. Es gab also eigentlich gar keinen Grund nervös zu sein.
Die unangenehme Nervosität wandelte sich, wie gewohnt, beim Losfahren in Euphorie. Daran konnten auch die Regentropfen, die mich am Rother Ortsschild verabschiedeten, nichts ändern. Keine 30 Kilometer nach dem Start sahen mein Rad und ich, dank Regen und Sand auf der Straße, aus wie ein Wiener Schnitzel – nur platt waren wir glücklicherweise noch nicht.
Es lief gut. Das Navi führte mich zuverlässig entlang wunderschöner, verkehrsarmer Routen. Das Wetter wurde langsam besser und das Wasser kam mittlerweile nur noch von den nassen Straßen unter mir. Gut, die Windrichtung hätte günstiger sein können. Ein kurzer Tankstopp und die Frage, ob ich mit dem Rennrad etwa durch den Wald gekommen sei, füllten Wasservorräte und Laune auf.
Ich näherte mich Ulm, meinem ersten kleinen Zwischenziel. Deutlich vor der erwarteten Zeit sah ich die imposanten Turmspitzen des Münster. Weiter ging es entlang der Donau. Mittlerweile war es warm geworden und ein zweiter Tank-Stopp war dringend nötig. Doch das Navi lenkte mich konsequent entlang zwar malerischer, allerdings auch kaum besiedelter Routen. Irgendwo im Nirgendwo kamen mir zwei betagte Walker entgegen. Ich fragte sie nach der nächsten Tankstelle ("Für das Rad?!?"). Neben der passenden Auskunft, der obligatorischen Frage wohin es denn gehe und dem zu erwartenden Erstaunen über die verbleibenden 140 Kilometer, bekam ich sogar noch einen Übernachtungstipp für Zürich. Zu dem Zeitpunkt rauschte diese Information als weitestgehend unnütz eingestuft durch meine Gehörgänge. Ich bedankte mich und fuhr gen Tankstelle.
Das Schöne an solchen Touren ist, dass man die gesamte Zeit damit beschäftigt ist die unbekannte Landschaft zu bewundern. Ich bin zwar viel unterwegs, aber mit dem Rad fährt man durch Ecken, die man sonst nie zu sehen bekäme. Kilometer für Kilometer rauschte an mir vorbei. Die kurz aufkommende schlechte Laune wurde mit einem Schokoriegel erfolgreich nach Hause geschickt und mir ging es einfach gut. Alles schien so einfach. Treten, aufs Navi schauen, verpflegen.
Die Nacht zog auf und ich freuet mich. Radfahren bei Nacht ist ein Vergnügen. Kaum Verkehr, reine Luft, der Duft von Wiesen und Wald, Rehe am Straßenrand. Einige unerwartet steile Anstiege ließen gelegentlich die berechtigte Frage aufkommen (Warum nochmal machst du das?), die kurz darauf in einer rauschenden Abfahrt ihre Antwort fand. Viel zu früh (oder viel zu spät?) näherte ich mich Zürich. Mir wurde klar, dass ich noch ein Zimmer brauchte.
Mein erster Versuch im Züricher Umland stellte sich als ausgebucht heraus. Man empfahl mir jedoch ein Hotel zwei Dörfer weiter – ich traute meinen Ohren kaum, aber es war eben das Hotel, das mir der Rentner aus Irgendwo-im-Nirgendwo empfohlen hatte. "Wäre ich abergläubisch, würde ich das als gutes Omen deuten", lachte ich vor mich hin. Nachts um 0:30 Uhr. Und tatsächlich. Im Restaurant des Hotels saßen noch einige Gäste und ich bekam ein Zimmer, sodass ich mein Meeting am nächsten Tag erholt wahrnehmen konnte.
Warum ein Blogeintrag dazu? Weil die Tour eben nicht wie geplant im April statt fand, sondern im September. Weil es in der Zwischenzeit mitnichten so aussah, als würde ich die Tour überhaupt in Angriff nehmen. Weil 340 Kilometer, wenn alles passt, ein wunderbares Abenteuer sind. Und weil ich wieder einige unvergessliche Erlebnisse mit nach Hause bringen konnte, die solche Unternehmungen viel wertvoller machen, als eben nur 340km Jagd nach Rekord-Zahlen und -zeiten.
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